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Verlässliche Wasserstofftankstelle

Pilotprojekt "Verlässliche Wasserstofftankstelle" - eine digitale Qualitätsinfrastruktur (QI) für technische Anlagen

Mit der Initiative QI-Digital werden völlig neue Perspektiven für das Sicherheitsmanagement und die Qualitätssicherung technischer Anlagen erschaffen.

Unsere Forschung im Kontext einer Wasserstofftankstelle zeigt, wie digitale Innovationen und Verfahren die Herausforderungen effizienter und verlässlicher Qualitätssicherung für komplexe Anlagen bewältigen können.

Typische Herausforderungen in der Qualitätssicherung heute

Herkömmliche Inspektions- und Wartungsverfahren bei technischen Anlagen erfordern oft erheblichen Aufwand und führen zu Betriebsunterbrechungen. Das genaue Erfassen des Anlagenzustands und die zuverlässige Dokumentation der Sensor-Kalibrierung sind äußerst anspruchsvoll und lassen sich oft in Echtzeit kaum umsetzen. Häufig sind nur asynchrone, oft analoge, umfangreiche und unübersichtliche Sammlungen von qualitäts- und sicherheitsrelevanten Dokumentationen und Nachweisen vorhanden.

Optimierung mithilfe einer digitalen Qualitätsinfrastruktur

Durch die Einführung digitaler QI-Werkzeuge können Qualitätssicherungsprozesse bei technischen Anlagen optimiert werden. Dies steigert Verlässlichkeit, Sicherheit, Ressourceneffizienz und Wirtschaftlichkeit im Betrieb.  Am Beispiel einer Wasserstofftankstelle entwickeln, erproben und demonstrieren wir in unserem Reallabor an der BAM Lösungen für eine moderne Qualitätssicherung. Dabei setzen wir auf innovative Ansätze für neue Überwachungs- und Prüfmethoden, hochmoderne Sensortechnologien und fortschrittliche digitale Modelle. Besonders wichtig ist uns die Entwicklung grundlegender Instrumente einer digitalen Qualitätsinfrastruktur, die einen nachhaltigen Mehrwert bieten. Unser Ziel ist es, diese modernen Werkzeuge – darunter maschinenlesbare Normen, digitale Prüfberichte und Zertifikate sowie Dateninfrastruktur (Quality-X) – praxisnah zu implementieren und unter realen Bedingungen zu testen. So stellen wir sicher, dass unsere Entwicklungen nicht nur theoretisch überzeugen, sondern auch in der praktischen Anwendung ihren Mehrwert unter Beweis stellen.

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Das "Reallabor Wasserstofftankstelle" ist eingebettet in das Kompetenzzentrum H2Safety@BAM für Wasserstoff der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung.

Übergeordnete Ziele

  • Optimierung von Wartungszyklen und Minimierung von Ausfallzeiten
  • Erhöhung der Betriebssicherheit durch frühzeitige Identifikation kritischer Zustände im Gesamtsystem
  • Entwicklung verlässlicher Qualitäts- und Sicherheitsstandards
  • Digital-gestützte Risikobeurteilung und Konformitätsbewertung
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Unser übergeordnetes Ziel in diesem Pilotprojekt ist die Schaffung von Lösungen, die einerseits auf weitere Wasserstoffanwendungen und andererseits generell auf technische Anlagen übertragbar sind. Die gewonnenen Erkenntnisse bringen wir in die Weiterentwicklung von Normen und technischen Regeln ein – ein Beitrag zu Technologietransfer und Innovationsförderung.

Teilprojekte

Das Pilotprojekt „Verlässliche Wasserstofftankstelle“ adressiert die Digitalisierung der QI auf folgende Ebenen:

Die digitale Abbildung des Gesamtsystems ist der Schlüssel zu einem integrierten Überwachungskonzept für technische Anlagen. In unserem Projekt entwickeln und erproben wir aktiv eine moderne Prozessleittechnik (PLT) und deren nahtlose Verknüpfung mit den Werkzeugen der digitalen QI.

Diese moderne PLT ist das Herzstück unserer Lösung. Sie ermöglicht eine effizientere Betriebsführung, da sie kontinuierlich aktuelle Überwachungsdaten aus den Sensornetzwerken erfasst und in Echtzeit in einem digitalen Zwilling auswertet. Dies erleichtert eine vorausschauende Wartung, reduziert ungeplante Stillstandszeiten und senkt die Instandhaltungskosten.

Im Rahmen unseres Projekts entwickeln und testen wir prototypisch ein PLT- und Sensorsystem, das in der Lage ist, sämtliche qualitätsrelevanten Informationen und Nachweise in das System zu integrieren. Dies reicht vom digitaler Konformitätsbewertungszertifikate (D-CoC) der verbauten Komponenten bis hin zu den Kalibrierzertifikaten (DCC) der verwendeten Messsysteme. Die Rückverfolgbarkeit wird durch die Verwendung der sogenannten Verwaltungsschale sichergestellt, die als das Rückgrat der Industrie 4.0 gilt

Darüber hinaus trägt die PLT zur Erhöhung der Sicherheit bei, indem sie potenzielle Risiken frühzeitig erkennt und entsprechende Maßnahmen ermöglicht.

Diese gesammelten Informationen können dann auf kontrollierten Zugriffsebenen sicher, datenschutzkonform und zielgruppenorientiert relevanten Stakeholdern (z.B. Marktüberwachungs- und Konformitätsbewertungsstellen) zur Verfügung gestellt werden. Die Integration von Softwarediensten mit den offenen, standardisierten Protokollen und Interaktionssequenzen der Datenräume (Data Spaces) zum Austausch von QI-relevanten Assets wird im Rahmen des Teilprojekts "Quality-X" der QI-Cloud behandelt.

In technischen Anlagen sind in großer Zahl sicherheitstechnisch relevante Sensoren verschiedener Art und zunehmend komplexe Sensornetzwerke installiert. Das Projekt entwickelt und erprobt Lösungen, die deren verlässlichen Betrieb und effektives Management mit Hilfe von digitalen QI-Werkzeugen und – Prozessen ermöglichen.

Durch den Einsatz von digitalen Kalibrierscheinen (DCC) automatisieren wir zukünftig die bisher manuelle Einbindung von Anlagensensoren in die Prozessleittechnik (PLT). Diese Automatisierung vereinfacht den Aufbau komplexer Sensornetzwerke und ermöglicht den automatischen Abgleich von Messwerten sowie eine kontinuierliche Plausibilitätsprüfung. Das spart Zeit, erhöht die Messgenauigkeit und ermöglicht Echtzeitaktualisierungen. Zudem erleichtert dies die Einhaltung von Vorschriften und unterstützt vorausschauende Wartung, was Letzende die Gesamteffizienz der Anlage verbessert.

Unsere Sensor-Netzwerklösungen schaffen einen klaren Mehrwert für Betreiber. Selbst im Falle eines Sensorausfalls kann die hohe Sensordichte eines Netzwerks Ausfälle kompensieren und gleichzeitig die frühzeitige Erkennung und Lokalisierung von Wasserstoffverlusten und Fehlfunktionen ermöglichen. Dies trägt entscheidend zur Entwicklung eines effektiven Leckdetektions- und Explosionsschutzkonzepts bei.

Darüber hinaus entwickeln wir aktiv sensorgestützte Lösungen für die digitale Überwachung der Reinheit des Wasserstoffs während des Transports durch die Tankstelle. Diese Qualitätsnachweise sind nicht nur für Kunden von Bedeutung, sondern bieten Betreibern den entscheidenden Vorteil, Schäden durch die frühzeitige Erkennung von Gasverunreinigungen zu verhindern. Dies schließt potenzielle innere Undichtigkeiten, Abrieb oder Schmiermittel ein, die langfristig zu Ausfällen von Systemkomponenten führen könnten. Unsere Sensor-Netzwerklösungen ermöglichen somit eine proaktive Sicherheitskontrolle und Effizienzsteigerung für den Betrieb.

In dem Pilotprojekt entwickeln wir Lösungen für die kontinuierliche Überwachung der Bauteilintegrität von Druckbehältern, die eine wesentliche Komponente einer Industrieanlage darstellen. Statt der bisherigen periodischen Prüfungen, die die Nutzungshistorie vernachlässigen, streben wir an, eine durchgängige Betriebsüberwachung zu etablieren. Auf diese Weise ermöglichen wir eine flexible Anpassung der Prüf- und Kalibrierfristen an die tatsächlichen Belastungen und den Zustand der Druckbehälter.

Unser Team entwickelt und erprobt innovative, digital gestützte Überwachungsmethoden. Diese Methoden ermöglichen in Verbindung mit zerstörungsfreien Prüfverfahren eine kontinuierliche und umfassende Bewertung des aktuellen Zustands von Druckbehältern. Das KI-unterstützte Structural Health Monitoring (SHM) gestattet eine kontinuierliche Abschätzung der Restlebensdauer für den relevanten Druckbehälter, idealerweise basierend auf probabilistischen Aspekten. Auf diese Weise erfolgt eine kontinuierliche Beurteilung der Betriebssicherheit und gegebenenfalls der verbleibenden Nutzungsdauer. Das hilft Betreiber, ihre Anlagen effizienter zu führen und ungeplante Ausfallzeiten zu minimieren.

Ein weiterer wichtiger Schritt besteht in der digitalen Dokumentation der relevanten Komponenten. Im Rahmen des Projekts entwickeln wir eine prototypische digitale Lebenslaufakte für Druckbehälter, die den gesamten Lebenszyklus abdeckt. Hierbei werden Aspekte wie die Baumusterprüfung, die Produktion der verwendeten Halbzeuge, die Endverwertung und die Integration in die Prozessleittechnik der Tankstelle vollständig digitalisiert. Die Einführung einer digitalen Lebenslaufakte für Druckbehälter bietet Betrieben, Prüfstellen und Kunden vielfältige Vorteile. Betriebe profitieren von effizienter Dokumentation, Einhaltung von Vorschriften und schneller Entscheidungsfindung. Prüfstellen erleichtert sie effiziente Prüfprozesse und spart Zeit. Kund:innen profitieren von erhöhter Sicherheit und Vertrauen in die Qualität. Insgesamt verbessert die digitale Lebenslaufakte die Transparenz, Effizienz und Sicherheit im Umgang mit Druckbehältern und bietet allen Beteiligten erhebliche Vorteile.

Neben den technischen Aspekten befasst sich das Projekt auch mit der Notwendigkeit der Anpassung von Normung und Regelsetzung.

„Gesetzliche“ Messungen finden wir überall im Alltag: Elektrizitäts- oder Wasserzähler im Haushalt, die Waage beim Fleischer oder der Blitzerbescheid der Polizei. Der Gesetzgeber hat dort Richtlinien sowie Gesetze und Verordnungen erlassen, um definierte Schutzziele (Verbraucherschutz, Verkehrssicherheit, …) einzuhalten. Im Falle des Explosionsschutzes ist das Schutzziel immer die Sicherheit durch die Vermeidung von Explosionen.

Im Pilotprojekt „Verlässliche Wasserstofftankstellen“ sollen beispielhaft die Informationen der Konformitätsbewertungszertifikate im gesetzlichen Messwesen und Explosionsschutz in ein digitales, maschinenlesbares Format übertragen werden. Fokus sind dabei die europäischen Richtlinien zu Messgeräten (MID, 2014/32/EU), explosionsfähigen Atmosphären (ATEX, 2014/34/EU) und nicht-selbsttätigen Waagen (NAWID, 2014/31/EU) und die deutschen Pendants: das Mess- und Eichgesetz, die Mess- und Eichverordnung sowie das Produktionssicherheitsgesetz und die Betriebssicherheitsverordnung. Durch die Digitalisierung sollen die beteiligten Prozesse effizienter und sicherer gestaltet werden und die Datenverfügbarkeit und -verständlichkeit verbessert werden. Schlussendlich soll damit die gesamte Qualitätsinfrastruktur gestärkt werden.

Die essentiell wichtigen Hochdruckspeicher für die Wasserstoffversuchsplattform auf dem Gelände der BAM sind angekommen. Nach der erfolgreichen Lieferung der Kühlanlage und von drei Mitteldruckspeichern mit jeweils 68 Flaschen, nimmt die Versuchsplattform dank der neuen Komponenten konkrete Formen an. In den insgesamt 204 roten Flaschen werden bei einem Druck von 200 bar über 250 kg Wasserstoff gespeichert. Zusätzlich können die weißen Hochdruckspeicher mit über 1000 bar weitere 60 kg Wasserstoff für Schnellbetankungen fassen. Das bedeutet: Ein großer Schritt in Richtung einer digitalen Qualitätsinfrastruktur der Zukunft!

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