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PILOTPROJEKT ADDITIVE FERTIGUNG - EINE DIGITALE QI FÜR DIE MODERNE PRODUKTION

Als Beispiel für moderne Produktion ist die additive Fertigung (ugs. „3D-Druck“) bei der Herstellung von hochkomplexen metallischen Bauteilen, bionisch inspiriertem Leichtbau oder Prototypen nicht mehr wegzudenken. Die Qualitätssicherung von Bauteilen für sicherheitskritische Anwendungen stellt jedoch noch eine Herausforderung dar. Die Additive Fertigung (AM) ist ein vergleichsweise junges und datenintensives Fertigungsverfahren. Daher ist es ideal geeignet, die neuen Werkzeuge einer digitalen Qualitätsinfrastruktur (QI) für die moderne Produktion zu erproben und weiterzuentwickeln.

Um das Vertrauen in die Technologie zu stärken und diese am Markt zu etablieren, wird im Rahmen der Initiative an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) die Entwicklung einer digital gestützten Qualitätssicherung vorangetrieben. Gleichzeitig werden digitale Werkzeuge der QI (z.B. Standardisierung, Prüfung) entwickelt.

Entwicklung eines Reallabors für die Demonstration der Werkzeuge einer digitalen QI

Die Entwicklung einer digitalen QI ermöglicht die objektive Qualitätssicherung in der Additiven Fertigung und macht die Technologiegerade auch für kleine und mittelständische Unternehmen besser nutzbar. Sie wird vollwertig im Rahmen des Qualitätsanspruchs „Made in Germany“ einsetzbar – gerade auch beim Umbruch in Industriezweigen. 

Für viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ist es eine Herausforderung, das notwendige Know-how im Bereich der Additiven Fertigung (AM) und insbesondere der Qualitätssicherung (QS) für AM aufzubauen. Dies ist oft mit einem hohen zeitlichen, personellen und finanziellen Aufwand verbunden. Die BAM hat daher ein offenes Reallabor eingerichtet mit einer digital vernetzten Prozesskette für das laserstrahlbasierte Metallpulverschmelzen (PBF-LB/M) und das drahtbasierte Lichtbogenschweißen (DED-Arc). Dort können KMUs gemeinsam mit den Wissenschaftler*innen der BAM an Bauteilen, Prozessbedingungen und neuen Verfahren zur Qualitätssicherung arbeiten. Zusammen mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) werden günstige, für KMU geeignete Messmethoden mit High-End Verfahren wie z.B. µ-CT verglichen, um sie auf Ihre Eignung für die QS für AM zu prüfen. Die Mitarbeit und Anbindung an das Reallabor ist somit attraktiv für KMUs um Zeit, Personal und Geld einzusparen.

Das Reallabor „Additive Fertigung für den Mittelstand“ ist eingebettet in das Kompetenzzentrum Additive Fertigung AM@BAM der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung.

Anforderungen an die Integration von additiver Fertigung in hybride Systeme

Die PTB untersucht die hybride additive Fertigung, die die Vorteile von additiven und konventionellen Fertigungsverfahren kombiniert. Diese Technologie ermöglicht die Herstellung hochkomplexer Bauteile mit geometrischer Individualisierung, Funktionsintegration und effizienter Materialnutzung. Im Vergleich zu rein zerspanenden Verfahren reduziert die hybride additive Fertigung nicht nur die Anzahl der erforderlichen Prozessschritte, sondern optimiert auch die Werkstoffausnutzung. Am Beispiel eines Demonstratorbauteils, einem Krümmersammler für den Automobilbereich, wird die Prozesskette erprobt und analysiert.

Der Beitrag untersucht die Anforderungen an die Integration additiv gefertigter Komponenten in hybride Systeme, wobei insbesondere die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen berücksichtigt werden. Die Analyse wird durch die Anwendung von Normen für die Prüfberichterstattung zur Qualitätskontrolle und Bauteilqualifizierung erweitert. Zudem werden von der PTB Empfehlungen für zu verwendende Messtechnik bei KMU gegeben.

Anbindung und Vernetzung

Das Pilotprojekt ist angebunden an die Initiative Digitale Standards (IDiS) der DKE, als Impulsgeber der digitalen Normung. Eingebettet in die IDiS-Pilotprojekte zur Entwicklung von SMART Standards soll das Wissen aus der Normung in Zukunft digital angewendet werden können.

Des Weiteren ist die BAM Mitglied im VDMA und der Arbeitsgruppe Additive Fertigung, die 2023 ihr Jahrestreffen an der BAM augerichtet hat, sowie dem Netzwerk MGA „mobility goes additive“ und strebt an, die Vernetzung von QI-Digital und Anbindung an das Reallabor weiter voranzutreiben.

Ein weiteres Beispiel für die Vernetzung von QI-Digital ist die Mitarbeit der BAM im nationalen DIN-Normenausschuss Werkstofftechnologie (NWT), konkret im NA 145-04-01 AA „AM-Querschnittsthemen und Digitalisierung“. Dadurch und initiiert aus dem Austausch über die Initiative QI-Digital, ist das Pilotprojekt aktiver Teil und sogar Lead in einem Expert*innenkreis zu dem Thema „Data Based Quality Assurance in AM“. Hier wird das Ziel verfolgt, Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt in die Normung einfließen zu lassen und an der Erarbeitung von Normeninhalten mitzuwirken. Der Transfer der Inhalte und die Positionierung von QI-Digital erweitern sich bei einer Einbringung von diesen Normen auf internationaler Ebene auch auf den internationalen Raum. Dies wird ermöglicht durch einen Austausch des Expert*innenkreises mit dem ISO/TC 261 Technical Committee Additive Manufacturing

Zur Anbindung der digitalen Lösungen entwickelt die Initiative QI-Digital im QI-Cloud Projekt ein Konzept Quality-X, welches eine Lösung für den geregelten digitalen Datenaustausch mit Stakeholdern (Datenauswahl, Zugriffsrechte, Authentifizierung etc.) bieten soll.

Forschung und Entwicklung

Der Prozess für eine digitale QI wird im Reallabor und Forschungsbetrieb erprobt, in dem u.A. das Zusammenspiel von physischem Materialfluss und digitalem Datenfluss experimentell erforscht und beschrieben wird. In der Initiative werden die Werkzeuge einer digitalen QIweiter entwickelt und im Pilotprojekt Additive Fertigung anhand von SMART Standards und digitalen Prüfberichten umgesetzt.
Für die konventionelle Fertigung hat sich das bestehende System der Qualitätsinfrastruktur bewährt. Die additive Fertigung vergrößert den gestalterischen Spielraum von möglichen Bauteilgeometrien und Prozessfehlern jedoch erheblich. Hier gerät die QI an ihre Grenzen, sodass die Fertigung und Zulassung sicherheitsrelevanter Bauteile sehr zeit- und kostenintensive Versuche erfordern. Eine moderne digitale QI erlaubt eine effizientere Qualitätssicherung für additiv gefertigte Bauteile. Dies erfordert eine durchgängig digitale Abbildung des physischen Materialflusses.

Herausforderungen einer digitalisierten Fertigung

  • Herstellungsprozesse liefern Unmengen an Daten (mehrere Terabyte (TB) selbst für sehr kleine Bauteile)
  • kein durchgängiger Datenfluss
  • keine einheitlichen Datenformate 
  • Kompatibilitätsprobleme
  • Aufwendige nachgelagerte Qualitätssicherung  
  • Fehlendes Prozess-Know-How
  • Intransparente Dokumentation
  • Kein geregelter digitaler Datenaustausch mit Stakeholdern (Datenauswahl, Zugriffsrechte, Authentifizierung etc.)

In jedem Prozessschritt des physischen Materialflusses wird eine erhebliche Menge an Daten erzeugt (pro Bauteil ein Speicherbedarf von mehreren TB). Außerdem sind die vorliegenden Daten in unterschiedlichen Formaten verfügbar, was die Auswertung erschwert, und es existiert kein einheitlicher Datenfluss entlang des gesamten Fertigungsprozesses. Zudem sind zahlreiche Normen und Standards noch nicht vorhanden oder befinden sich noch in der Entwicklungsphase.

Lösungen

Zur Bewältigung dieser Herausforderungen forschen wir an den folgenden Themen:

  • Entwicklung neuer prozess-integrierter Qualitätssicherungsmaßnahmen (Prozess-Monitoring)
  • Weiterentwicklung und Bewertung von zerstörungsfreien Prüfverfahren für eine nachgelagerte Qualitätssicherung
  • Identifikation anlagenunabhängiger qualitätsrelevanter Parameter
  • Neue digitale Methoden für die Bewertung von Prozess- und Messdaten
  • Entwicklung von Algorithmen zur Datenreduktion
  • Entwicklung einer universellen Struktur für den Datenaustausch
  • Digitale Vernetzung aller Prozessschritte
  • Entwicklung eines digitalen Prüfberichts
  • Konzept Quality-X (LINK zur Unterseite) als Lösung für den geregelten digitalen Datenaustausch mit Stakeholdern

Mit unserer Arbeit tragen wir dazu bei, konkrete Lösungen für eine qualitätsgesicherte Additive Fertigung zu schaffen und diese besonders auch kleinen und mittelständischen Unternehmen zugänglich zu machen. So herrscht datenbasierte Gewissheit, ein bestimmtes Bauteil stets in wiederholbarer Qualität zu fertigen.